Zur Geschichte unseres Vereins
Der Turnverein „Deutsche Treue" kann auf ein über 100 jähriges Bestehen zurückblicken. Es ist daher auch verständlich, dass wir den Werdegang und die Entwicklung des Vereins 'einmal an unseren Augen vorüberziehen lassen. Leider stehen Unterlagen bis zum Jahre 1920, aus denen Näheres zu entnehmen wäre nicht mehr zur Verfügung, so dass wir uns bis zu diesem Zeitpunkt auf die Angaben der ältesten Turnbrüder stützen müssen.
Am 16. Juli 1905 fanden sich 51 vom Jahn'schen Geiste beseelte Jünglinge und Männer zusammen, um die Ideale unseres Turnvaters Friedrich Ludwig Jahn, Körper und Geist zu stählen und zu pflegen, zu verwirklichen. Sie gründeten den Turnverein „Deutsche Treue". Die Gründungsversammlung fand in der Gastwirtschaft Haumann, die zunächst auch Turnlokal wurde, statt. Den Vorsitz übernahm und führte bis zum Jahre 1910 der Turnbruder Fritz Schnier. Von den Gründern leben noch 18. Von diesen hielten 4 dem Verein bis jetzt die Treue. Es sind die Turnbrüder
Wilhelm Schneider
August Bierkämper
Karl Kessebohm
Karl Schmidt.
Sie finden an besonderer Stelle noch Erwähnung. Von 1905 bis 1910 gehörte der Verein der Freien Turnerschaft an. Es wurde, wie früher allgemein üblich, an den Geräten geturnt, gerungen und gestemmt, Aufmärsche und der Bau von Pyramiden geübt. Die Turner nahmen an auswärtigen Festen teil und errangen manch wertvollen Preis.
Im Jahre 1910 trat der Verein der Deutschen Turnerschaft bei. Die Vereinsführung übernahm bis zum Jahre 1914 der Turnbruder Johann Friedrich Wehberg. Man ging nunmehr dazu über, das Geräteturnen stärker zu fördern, Leichtathletik und sportliche Spiele, also Sportarten zu betreiben, die noch heute den Kern des turnerischen Lebens bilden. Der Wunsch, eine Turnfahne zu besitzen, wurde wach. Unter hohen finanziellen Entbehrungen einzelner und des Vereins wurde sie im Jahre 1910 beschafft. Sie sah manche Höhepunkte turnerischen Lebens und Veranstaltungen, an denen unsere Mitglieder teilnahmen, bis sie leider den Bomben des letzten Krieges zum Opfer fiel.
Im Jahre 1914 wurde Tbr. Wilhelm Schneider l. Vorsitzender des Vereins und hielt bis zum Jahre 1930 die Vereinsführung bei. Eine Schülerabteilung wurde ins Leben gerufen. Während des l. Krieges ruhte der Turnbetrieb nicht. Er wurde, wenn auch zwangsläufig nur mit wenigen Turnern, aufrechterhalten. Aus dem Krieg kehrten neun Turnbrüder nicht zurück.
Nach Kriegsende nahmen die meisten der heimgekehrten Turnbrüder wieder am aktiven Vereinsleben teil. Im Jahre 1920 wechselte der Verein das Turnlokal und turnte im Saale der Gastwirtschaft Weies. Es wurde nun und in den weiteren Jahren Wert auf kameradschaftliche Geselligkeit gelegt. Fast in jedem Jahre wurden wenigstens zwei Vereinsfeiern veranstaltet. Ab 1920 wurden aktive Turner laufend zu Vorturnerstunden und Lehrgängen geschickt. Auch unternahm man in jedem Jahr einen Ausflug in die nähere oder weitere Umgebung. Dieser jährliche Ausflug ist später in Form eines Familienausflugs zur Tradition des Vereins geworden und wird durchweg im August eines jeden Jahres durchgeführt.
Der Turnbetrieb beschränkte sich nicht nur auf das Geräteturnen und auf Leichtatlethik, sondern es wurden regelmäßige Spielstunden eingelegt, in denen Schlagball, Faustball und andere Spielarten betrieben wurden. Da die Turner auch Freude an dem neu aufgekommenen Handballspiel fanden, wurde im Jahre 1921 eine Handballabteilung gegründet, die sich eines regen Zuspruchs erfreute, so dass zwei Mannschaften den Spielbetrieb aufnahmen. Ein Platz, am Gallberger Weg gelegen, wurde im Jahre 1923 von dem Bauern Schulze Seimig freundlicher Weise zur Verfügung gestellt und bis zum Jahre 1930 als Spielplatz beibehalten. Die erste Handballmannschaft gab immer einen geachteten Gegner ab und wurde im Jahre 1926 Meister der Bezirksklasse und im Jahre 1927 Handball-Gruppenmeister der Gauklasse.
Im Juli 1924 wurde die Gastwirtschaft Refus Turn- und Vereinslokal und blieb es bis zum Mai 1952. Der Turn- und Spielbetrieb war mittlerweile sehr rege geworden. So vollbrachte es der Verein, im Jahre 1925 das Bezirksturnfest zu übernehmen, das am 7. Juni 1925 zur Zufriedenheit aller Vereine abgewickelt wurde. Die einwandfreie Gestaltung ist ein Glanzpunkt in der Geschichte unseres Vereins und war nur durch die Mit- und Zusammenarbeit aller Mitglieder möglich. Die Neuaufnahme von allein 23 Mitgliedern beweist den Anklang und Erfolg dieser Veranstaltung.
Im gleichen Jahre errang unsere Tauziehermannschaft die sich einen besonderen Ruf im Turngau verschaffte, den l. Sieg auf dem Harkortbergfest, konnte ihn zwei weitere Jahre wiederholen und setzte sich damit endgültig in den Besitz der Wanderplakette.
Seit dem Jahre 1926 wird das Hammer Turn- und Spiel-fest laufend besucht und immer noch konnten sich unsere Turner und Turnerinnen mit dem Siegerkranz schmücken. Es zeugt von der Initiative des Vereins, dass er es unternahm, in den Jahren 1926 und 1927 die Reichsjugendwettkämpfe in der Gemeinde Wiescherhöfen durchzuführen. Auch hierbei und bei späteren Veranstaltungen konnten unsere jugendlichen Mitglieder stolze Erfolge erringen.
Hatte der Verein in den Jahren 1927 und 1928 einen merklichen Rückschritt, besonders infolge der eintretenden Wirtschaftskrise, zu verzeichnen, so ging es im Jahre 1929 wieder bergauf. Die erste Götzwanderung wurde am Himmelfahrtstag, dem traditionellen Wandertag des Deutschen Turners, durchgeführt. Im Jahre 1930 wurde Tbr. Wilhelm Schneider zum Ehrenvorsitzenden ernannt. An seine Stelle trat Tbr. August Bierkämper bis zum Jahre 1932. Am 5. und 6. Juli 1930 beging der Verein seine 25jährige Jubelfeier. Der Versuch, eine Damenriege zu gründen, scheiterte zunächst. Er konnte aber später verwirklicht werden. Der Turnbetrieb wurde sehr vielseitig gestaltet und mit Nachbarvereinen freundschaftliche Beziehungen unterhalten. Auf Grund dieses guten Einvernehmens wurden im Jahre 1930 ein Gerätekampf mit dem Nachbarverein Tus Pelkum und im Jahre 1931 ein Leichtathletikkampf mit dem Turnverein Berge 09 durchgeführt.
Im Jahre 1932 übernahm Tbr. Heinrich Sieberg den Vorsitz. Unter seiner Leitung unternahm es der Verein
einen auf dem Ziegeleigelände liegenden Findling unter mühsamem Transport herbeizuschaffen und in den Anlagen des Vereinslokals aufzustellen. Mit einer Kopfplakette unserem Turnvater Jahn versehen, wurde er am 20. August als Jahngedenkstein geweiht. Er hat jetzt, mit einer neuen Plakette geschmückt, da die alte durch Bomben zerstört wurde, auf einer von der Gemeinde Wiescherhöfen an der Ecke Bahnhof-Weetfelder Straße zur Verfügung gestellten und eigens zu diesem Zwecke hergerichteten Grünanlage Aufstellung gefunden. Die neue Jahngedenkstätte ist heute geweiht worden. Mitglieder des Vereins nahmen im Jahre 1933 erstmalig an einem Deutschen Turnfest teil. Im Jahre 1938 und nach dem Kriege wird dieses Turnfest in zunehmendem Maße besucht. Eine Frauenabteilung wurde im April 1935 ins Leben gerufen, die die stattliche Anzahl von 22 Turnerinnen aufwies. Sie war auch so lange äußerst rege tätig, bis der Turnbetrieb zum Erliegen kam. Seit dem Jahre 1938 ist Tbr. Ernst Schröer der Vorsitzende des TV „Deutsche Treue". Tbr. Heinrich Sieberg wurde nach Abgabe seines Vorsitzes zum Ehrenmitglied ernannt. Ab Herbst 1939 ruhte der gesamte Turnbetrieb. Während des Krieges wurden alle Geräte und mit ihnen die Vereinsfahne durch Bombeneinwirkung vernichtet.
Die Folgen des Krieges und die Wirren der Nachkriegszeit lahmten das Vereinsleben vollkommen. Viele Turnbrüder waren gefallen, vermisst oder befanden sich noch in Kriegsgefangenschaft. Turn- und Spielgeräte, ohne die ein Turnbetrieb nun einmal undenkbar ist, waren nicht mehr vorhanden. Viele Familien oder Turnbrüder, die von dem Bombenkrieg betroffen waren, besaßen selbst nicht mehr das Allernotwendigste. Die Sorgen und Nöte eines jeden verhinderten jahrelang das Wiederauflebendes Turnvereins.
Mit dem Beginn geregelter Verhältnisse aber zeigte es sich. dass sich echter Turnergeist nicht unterkriegen lässt. Mitgliedern des Vereins verlangte es mehr und mehr, ihn wieder zu aktivem Leben zu erwecken, die Jugend zu erfassen und sie zum Turnen zu begeistern.
Im Oktober 1950 fand dann die erste Mitgliederversammlung nach dem Kriege statt. Hierzu wurde auch die abseits stehende Jugend eingeladen. Man beschloss, wieder zu turnen. War der Kreis der Turnanhänger und Turnbegeisterten auch zunächst ein kleiner, so ließen sich Aktive und Passive nicht entmutigen. In zäher Aufbauarbeit erreichten sie es, dass alte Mitglieder wieder zu ihrem Verein fanden und neue Mitglieder geworben wurden. Vor allem die Jugend wurde für den Turn- und Sportbetrieb erfasst. Durch Spenden. Beihilfen des Kreises und vor allem der Gemeinde Wiescherhöfen, konnten nach und nach Turn- und Sportgeräte beschafft werden- Die Grundlage für die Weiterentwicklung des Turnbetriebes wurde so gegeben. Ausschlaggebend für den weiteren Aufbau war auch der Wechsel des Turn- und Vereinslokals im Juni 1952. Im jetzigen Vereinslokal Bürger war die Gewähr gegeben, an mehreren Nachmittagen und Abenden der Woche zu turnen.
Wenn der Verein heute eine Altersriege, eine Tuner und Turnerinnenriege, mehrere Schüler- und Schülerinnenriegen besitzt und einen bis dahin noch nicht erreichten Mitgliederbestand von über 120 Turnern und Turnerinnen und von über 80 Schülern und Schülerinnen zu verzeichnen hat, so legen diese Zahlen Zeugnis ab von der Fortentwicklung und geleisteten Arbeit im Geiste unseres Turnvaters Jahn.
Und wenn an dieser Stelle erwähnt wird, dass die Kosten der neu beschafften Vereinsfahne nahezu fast allein aus Spenden der Mitglieder und Beträgen, die durch freiwillige Arbeitsleistungen der Turner erbracht wurden, bestritten werden konnten, so können wir getrosten Mutes in die Zukunft schauen. Die Fahne ist ein Beweis von Opferfreudigkeit und turnerischem Einsatz, sie zeugt von nie versiegbarem turnerischem Idealismus. Es ist selbstverständlich, dass sich im Laufe der verflossenen 50 Jahre so manches Mitglied besonders um den Verein verdient gemacht hat. Sie alle hier persönlich herauszustellen und ihre Verdienste im Einzelnen zu würdigen, dürfte zu viel Raum in Anspruch nehmen.
Sie können aber steten Dankes des Vereins gewiss sein. Dankesworte sollen und müssen gesagt werden. So gilt der besondere Dank unseren vier Goldjubilaren, von denen die Tbr. Wilhelm Schneider und August Bierkämper Ehrenmitglieder des Vereins sind. Sie können mit Stolz auf den Jubeltag des Turnvereins blicken, denn auf Grund ihrer steten, unermüdlichen Tätigkeit haben sie einen erheblichen Anteil an seinem Fortbestehen. Auch heute noch bekunden sie durch rege Mitarbeit ihr Interesse am Vereinsleben. Dank sei auch gesagt den vielen „alten" Mitgliedern, darunter die Ehrenmitglieder Tbr.Heinrich Sieberg, Wilhelm Holtsträter und Wilhelm Erdelkamp, die in steter Treue zum Verein standen und stehen, allen anderen und vor allem der Jugend, die sich für das Deutsche Turnen einsetzt. Sie ist der Garant für das weitere Bestehen des Turnvereins „Deutsche Treue". Ein weiterer Dank gilt der die gute Turn- und Sportsache fördernden Gemeindevertretung, die dem Verein nach bestem Können manche Hilfe hat zu Teil werden lassen. Mit dem Dank verbindet sich. der Wunsch, dass der Verein in friedlichen Zeiten weiterhin für unsere Jugend tätig sein kann, dass ihm alle die Kräfte erhalten bleiben, die sich für sein Wohl einsetzen und dass noch Außenstehende für die deutsche Turnbewegung und damit für unseren Verein gewonnen werden. Möge unser 50jähriges Jubelfest dazu beitragen.
Wiescherhöfen, den 9. Juli 1955 W. D.
"Opas Sportverein ist nicht tot, seine Enkel bauen ihn inzwischen immer weiter aus"; dies sind Worte vom Präsidenten des Deutschen Sportbundes Willi Weyer. Wunsch unserer Gründer war, daß der Turnverein wachse, blühe und gedeihe. Unser Verein ist gewachsen, das beweisen heute über 600 Mitglieder. Jeder zweite Deutsche treibt Sport, jeder vierte Deutsche ist Mitglied in einem Sportverein. Was Turnvater Jahn mit seinem "Frisch, Fromm, Fröhlich, Frei" auslöste, ist inzwischen zu einer großen Bewegung, dem "Breitensport" geworden. Körperliche Ertüchtigung zur Gesunderhaltung von Leib und Seele und das gesellige Beisammensein sind die Ziele unseres Sportvereins. Im Mittelpunkt steht der Mensch, das Mitglied. Mit unseren Angeboten wollen wir unseren Mitgliedern zu einer besseren Lebensqualität verhelfen. Es zählt nicht nur die Bewegung beim Turnen und Spielen, sondern auch die Begegnung mit anderen Menschen. Man treibt Sport miteinander, man nimmt Rücksicht aufeinander, man lernt sich kennen und schätzen, es entwickelt sich eine Gemeinschaft, die gepflegt und betreut werden will. Wieviel Selbstlosigkeit und Güte steckt darin, wenn wir einmal überlegen, wie viele bei uns etwas für andere tun. Was wäre aus unserem Verein geworden oder was würde aus ihm werden, ohne die Mühen und die Arbeit der Verantwortlichen und der ehrenamtlichen Helfer? Ist dieser selbstlose Einsatz der Turnerinnen und Turner in der heutigen Zeit, wo mehr oder weniger materialistisches Denken herrscht, überhaupt noch richtig zu würdigen?
An dieser Stelle ist Dank zu sagen, nämlich
Dank allen Turnerinnen und Turnern für ihre Leistungen.
Dank allen Mitgliedern, Freunden und Förderern für ihre Treue.
Dank allen, die als Vorstandsmitglieder, Turnwarte, Übungsleiter von der Gründung bis zum heutigen Tage in aufopfernder und ehrenamtlicher Tätigkeit das Bild der Gegewart unseres Vereins mitgeprägt haben.
Dank der ehemaligen Gemeinde Pelkum, der Stadt Hamm und den Politikern für die Förderung unseres Vereins.
Mein besonderer Wunsch ist es, daß die Initiative und Leistungskraft unseres Turnvereins erhalten bleibt, und zwar in allen sportlichen Bereichen, in der Bereitschaft mitzuarbeiten und auch Opfer zu bringen, in der Erfüllung der sozialen und gesellschaftlichen Aufgaben und in der Pflege und dem Erhalt sportlicher Gemeinschaft, dann steht die Zukunft des Turnvereins Deutsche Treue auf festen Fundamenten.
Wiescherhöfen, 1980 Werner Gosewinkel